Ich habe sie satt. Diese peinlichen Phasen im Taufgespräch, in denen es für mich um die Hauptsache geht, während die Eltern mehr oder weniger betreten schweigen, weil ich sie offenbar mit völlig fremdartigen Inhalten zutexte. So lange es um das Kind, die Geburt, die Anfangszeit des Taufgottesdienstes oder die Frage nach Paten geht, verläuft das Gespräch ja noch einigermaßen normal. Wenn ich aber auf den Sinn und die Bedeutung der Taufe komme, verwandelt sich die Kommunikation in einen Monolog … Aus dieser unbefriedigenden Erfahrung heraus und weil ich nach ca. 1,5 Stunden nicht mit dem Gefühl gehen will: „Die sind froh, dass der Pfarrer wieder weg ist.“, entstand die Idee und die Motivation, ein Taufseminar „aus der Taufe zu heben“. „Seminar“ klingt dabei etwas aufwendig. Einmal musste ich eine Mutter am Telefon beruhigen: „Nein, es handelt sich nicht um ein Wochenende, sondern lediglich um ca. 50 Minuten an einem Abend!“
Analog …
Die Gemeindeleitung weiß und unterstützt, dass ich bei einer Taufanfrage zunächst zu dem Taufseminar einlade. Den jeweiligen Termin lege ich fest und lade dazu grundsätzlich und ausdrücklich die Eltern, die angehenden bzw. potentiellen Paten, die (jugendlichen oder erwachsenen) Täuflinge und Interessierte ein. Als ich das Seminar vor Corona noch analog durchgeführt habe, haben wir für jede Tauffamilie immer eine Taufmappe zusammengestellt, die folgendes enthält:
- Materialien und Handouts für das Taufseminar
- den Ablauf eines Taufgottesdienstes (inklusive Schriftlesungen und dem Taufversprechen),
- alle Formulare zur Anmeldung zur Taufe,
- jeweils ein Taufbüchlein für Eltern und eines für Paten als Geschenk der Kirchengemeinde,
- eine Liste mit Geschenkideen, z.B. mit altersgemäßen christlichen Büchern und CDs (erstellt von einem lokalen christlichen Bücherladen) und
- Informationen zur Kirchengemeinde, z.B. der aktuelle Gemeindebrief, Überblicke über Gruppen und Kreise etc.
… oder online
Während der Corona-Pandemie fand das Taufseminar zwangsweise online statt. Dabei haben sich einige Vorteile herauskristallisiert, die mich inzwischen dazu veranlasst haben, es nun grundsätzlich online durchzuführen:
- Es ist eher möglich, dass beide Elternteile von Kleinkindern teilnehmen, weil sie dies von zu Hause aus tun und so gleichzeitig auf ihren Nachwuchs aufpassen können.
- Da die Paten oftmals weiter weg wohnen, können auch sie viel eher online dabei sein als bei einem vor-Ort-Seminar.
- Obwohl das analoge Format eine direkte Begegnung und mehr Interaktion ermöglicht, sind die technischen Möglichkeiten inzwischen so gut, dass z.B. mit Hilfe von Umfragetools auch online recht viel Partizipation der Teilnehmenden möglich ist.
- Ein online-Format als Erstbegegnung entspricht zunehmend den Lebensgewohnheiten und bietet eine besondere Niedrigschwelligkeit.
- Ein online-Format hat das Potential, ein regionales bzw. überregionales Angebot zu werden.
Es ist nicht zu leugnen, dass ein gewisses digitales Knowhow notwendig ist, um das online-Seminar technisch möglichst reibungslos durchzuführen.
Taufseminare sind zu gut, um sie nicht beizubehalten und weiterzuentwickeln.
Der Ablauf I – inhaltliche Aspekte
Nach der Begrüßung und einer Runde, in der sich die Teilnehmer gegenseitig kurz vorstellen, gebe einen Überblick über den Abend. Nach 3 Witzen, die durch ihre Pointe elegant schon einige wesentliche Aspekte der Taufe aufgreifen, geht es mit einem Fragebogen bzw. einer online-Umfrage los: „Wenn ich Taufe höre, dann denke ich an…“ Die Teilnehmer kreuzen auf einer Linie zwischen zwei Aussagen an, wo sie stehen bzw. stimmen online über verschiedene Möglichkeiten ab (Multiple Choice). Das Ergebnis wird nicht analysiert, sondern dient vor allem dazu, sich persönlich seines Verständnisses, seiner Assoziationen usw. zur Taufe bewusst zu werden.
Bevor wir dann konkret in die Bedeutung der Taufe einsteigen, spiele ich einen kurzen Videoclip ab, der erklärt, was es bedeutet, evangelisch zu sein. „Sich von Gott lieben lassen“ lautet einer der letzten Sätze in dem Clip, mit dem ich nun zu meinem Input zur Bedeutung der Taufe überleite: Anhand der Schriftlesungen zur Taufe (Mt 28,18-20, Mk 10,13-16 und Mk 16,16) erläutere ich zunächst, warum es die Taufe gibt und wieso sie wichtig ist. Ihre geistliche Bedeutung entfalte ich dann anhand dessen, was Wasser bewirken kann: Reinigen, Leben spenden, erfrischen, aber auch töten. Im analogen Format ordnen die Teilnehmer in Gruppen (meist je eine Tauffamilie) verschiedene Bibelstellen über die Taufe einer Wirkung des Wassers zu und schreiben und kleben dies auf ein vorbereitetes Blatt. Online könnte man hier z.B. mithilfe der Chatfunktion arbeiten, aber hier referiere ich meistens. Ob online oder analog: Natürlich gibt es die Möglichkeit für Rückfragen.
Der Ablauf II – praktische Aspekte
Dann geht es um die für die Teilnehmer meist besonders wichtigen praktischen Fragen:
- Wie läuft ein Gottesdienst ab?
- Was müssen wir darin tun? – An dieser Stelle gehe ich besonders auf das Taufversprechen ein und darauf, wie die Eltern und Paten es ganz konkret erfüllen können: Gebet mit den Kindern, Geschenke mit geistlichem Gehalt (z.B. Kinderbibeln), Tauferinnerung (z.B. mit Hilfe der Taufkerze) etc.
- Wer darf Pate sein?
- Wie ist es mit Fotos im Gottesdienst?
- Wo kann man Taufsprüche finden?
- Was ist der nächste Schritt? – Hier weise ich auf das kurze Taufgespräch hin, welches ich persönlich mit jeder Tauffamilie bzw. jedem Täufling führen möchte. Es dauert max. 30 Minuten, aber gibt die Gelegenheit, die Familie persönlich ein wenig kennenzulernen. Ich interessiere mich für den Taufspruch und dafür, wie und wieso sie ihn für ihr Kind ausgewählt haben. Schließlich erledigen wir den „formalen Kram“ und füllen die Taufanmeldung und die Datenschutzerklärung gemeinsam aus. Natürlich ist hier Raum für persönliche Fragen und Anliegen.
Wenn also am Ende des Taufseminars keine Fragen kommen, ist das überhaupt nicht schlimm. Man sieht sich ja ohnehin noch einmal …