Blauer Himmel

Lebensstile, Milieus & Räume

Niemand ist eine Insel

Weil der Glaube niemals neutral oder objektiv weitergegeben werden kann, spielt die Person oder der Lebensstil eines Menschen bzw. einer Gruppe eine entscheidende Rolle. Wir sollten nicht so naiv sein und meinen, dass wir für alle Menschen gleichermaßen Zeuge für Gott sein können. Jeder hat vermutlich schon erlebt, wie unterschiedlich Menschen darauf reagieren, wie ich meinen Glauben lebe. Für den einen ist es attraktiv und interessant und bietet Anlass für ein tiefergehendes Gespräch, während es andere völlig kalt lässt. Mein Lebensstil bietet Chancen, hat aber auch Grenzen. Grundsätzlich gilt: Evangelisiere nicht, sondern lebe!

Das Buch "Die Erlebnisgesellschaft" des Soziologen Gerhard Schulze sorgte Anfang der 1990er Jahre dafür, dass sich die Wahrnehmung unserer Gesellschaft veränderte. Der von ihm genutzte Begriff der Milieus löste das bis dahin geltende Modell der sozialen Schichten ab. Ein Milieu ist u.a. gekennzeichnet durch Bildung, Alter und Lebensstil.

Es ist hilfreich, auch die Weitergabe des Glaubens mit Hilfe dieser "Milieu-Brille" zu betrachten. Meine Zugehörigkeit zu einem bestimmten Milieu zeigt schnell die Grenzen der Effektivität missionarischer Bemühungen auf, bewahrt aber gleichzeitig vor der Illusion, allen Menschen gleichermaßen das Evangelium bringen zu können oder müssen. Die Milieuzugehörigkeit ist Chance und Grenze zugleich.

Ich werde meinen Glauben mit großer Wahrscheinlichkeit am ehesten den Angehörigen meines eigenen Milieus verständlich machen können. Ähnliches gilt für das Alter: Erfahrungsgemäß bin ich mit den Menschen meiner Generation innerlich am meisten verbunden; d.h. die sich in einem Zeitkorridor von +/- 10 Jahren - ausgehend von meinem eigenen Alter befinden. Hier ist vermutlich die größte Übereinstimmung in den Lebensthemen, die die Menschen beschäftigen. Der Umkehrschluss, dass Menschen mit einem deutlichem Altersabstand gar nicht ausschlaggebend dafür sein können, dass ein Mensch zum Glauben kommt, ist allerdings nicht zutreffend.

Menschen suchen nach einer Umgebung, die ihnen vertraut ist und die ihnen entspricht. Die Lage und die Innenausstattung eines Cafés macht immer deutlich, welches Milieu man ansprechen will. Es ist unwahrscheinlich, dass Menschen, die einem völlig anderen Milieu angehören, öfter als einmal dort zu Gast sind.

Christliche Cafés: Erlebnisräume des Glaubens

Die Initialzündung zum Netzwerk Christliche Cafés und Kneipen ging von solchen Cafés aus, die losgelöst von einer Kirchengemeinde entstanden und sich als missionarische Ergänzung zum gemeindlichen Angebot verstehen. Sie gehen über bestehende kirchliche (Milieu- und Struktur-)Grenzen hinweg zu den Menschen und sind "Kirche am anderen Ort".

Menschen, die schon lange keinen Kontakt mehr zur Kirche hatten, lassen sich häufig durch Bilder leiten, die der Realität nicht mehr entsprechen. Mitarbeitenden christlicher Cafés geht es deshalb darum, eine Umgebung zu schaffen, die Menschen eines bestimmten Milieus vertraut ist, weil sie ihrem Lebensstil oder ihrem Lebensgefühl entspricht. Häufig sind die Mitarbeitenden selbst Teil dieses Milieus. In dieser ´barrierefreien` Form von Kirche bestehen große Chancen, dass Vertrauen wächst und bei den Gästen eine Offenheit für Fragen des Glaubens und des Lebens entsteht. Mitarbeitende in christlichen Cafés und Kneipen haben Interesse am Gespräch mit Menschen, die dem Glauben mit Skepsis begegnen, und sind darauf vorbereitet, dass diese oft wenige oder gar keine Vorkenntnisse mitbringen.

Für viele Cafés und Kneipen hat die Wahl des Raumes und ein ansprechendes Ambiente einen hohen Stellenwert. Eine Kneipe bzw. eine Bar soll Raum für ungezwungene Gespräche und individuelle Begegnung bieten, Erlebnischarakter haben und für die Zielgruppe eine vertraute Umgebung darstellen. Viele kirchliche Räume entsprechen diesen Vorstellungen nicht, da sie für eine andere Nutzung konzipiert wurden; nämlich für Formen gelenkter Kommunikation (Gruppenarbeit, Gottesdienst, Veranstaltungsprogramm). Auch geht es den Cafés darum, auf keinen Fall bei der Zielgruppe möglicherweise bestehende Klischeevorstellungen im Bezug auf die Atmosphäre oder die Ausstrahlung mancher kirchlicher Räume zu bedienen.

Die Frage der Erkennbarkeit eines christlichen Profils wird von den Cafés und Kneipen unterschiedlich beantwortet. Manchen ist es wichtig, ´neutrale` Räume zu beziehen, die optisch nicht sofort eine christliche Nutzung erkennen lassen. Für andere Cafés, insbesondere solche mit diakonischer Zielsetzung (z.B. Arbeit mit Randgruppen) kann die Erkennbarkeit als kirchliches Projekt hingegen von Vorteil sein.